EINE GESCHICHTE VON EMANUELFLEUTI
Dichter Nebel lag über dem Hafen und es war düster. Einige müde Strassenlampen kämpften mit etwas gelbem Licht vergebens dagegen an. Ein paar Wellen klatschten gegen die Mauer. Pepe ging angespannt weiter. In der Ferne heulte ein Nebelhorn. Tönt eher wie eine rostige Trompete, dachte sich Pepe und wich einer Pfütze aus. Ein leiser Knall liess ihn herumwirbeln, den Finger am Abzug seiner Pistole.
Die Frau vor ihm lachte, Spuren eines geplatzten rosaroten Kaugummis über dem Gesicht. «Ich hoffe, ich habe dich nicht erschreckt», gluckste sie, «Ich heisse Mira, Mira Belle». Sie trug zerrissene Jeans und eine rote Jacke. «Mein Name ist Roni, Pepe Roni», erwiderte Pepe mit zugekniffenem Mund. «Es sind schon Leute wegen weniger gestorben», fügte er vorwurfsvoll hinzu.
Sie gingen ein paar Schritte. «Du hast Informationen für mich?», fragte Pepe schliesslich. «Ich weiss nicht, ob es etwas Bestimmtes bedeutet», antwortete Mira nachdenklich. «Ich arbeite in einem kleinen Geschäftshaus im zweiten Stock, meistens abends. Über mir ist eine Computerschule. Allerdings gibt es keine Kurse und ich habe noch nie Schüler gesehen. Aber ich bemerkte, dass seit ein paar Wochen offenbar immer nachts zwei Typen in diesem Schulzimmer arbeiten. Könnte mir egal sein, aber morgens finde ich immer viele leere Pizzaschachteln im Hauseingang. Das nervt mich». Dann dreht sie sich um und verschwand im Nebel.
Pepe machte sich auf den Weg ins ‘Au Bergine’, seinem Stammlokal, um sich mit seinem Partner Tom Ate zu besprechen. Seit ein paar Wochen versuchte jemand, die Computer der Regierung zu hacken und wichtige Daten zu stehlen. Er hatte den Auftrag, diese Hacker so rasch als möglich zur Strecke zu bringen. Seine Erkundigungen hatten bisher dazu geführt, dass sich Mira mit Informationen meldete. Aber er musste vorsichtig sein; da waren Profis am Werk.
«Ich werde heute Abend mal schauen, was sich so tut», sagte Pepe zu Tom. Er nippte an seinem Ananassaft mit Minze – geschüttelt, nicht gerührt, natürlich. «Geh du inzwischen zur Hausverwaltung und schaue dir das Gebäude und die Mieter an».
Pepe hatte einen unauffälligen Dienstwagen genommen und gegenüber dem Hauseingang parkiert. Er lehnte sich zurück und wartete. Tatsächlich, kurz nach zehn Uhr tauchten zwei Typen auf und verschwanden im Haus. Im dritten Stock gingen die Lichter an. Kurz darauf ging noch eine weitere Person ins Haus. Ein Betrunkener wankte auf sein Auto zu, streifte daran vorbei und verschwand. Pepe reagierte nicht. Um drei Uhr morgens verliessen die drei Personen das Haus und gingen in verschiedenen Richtungen davon.
Pepe hatte genug gesehen und fuhr weg. Wie üblich prüfte er seinen Rückspiegel und zog eine Augenbraue hoch. Er fuhr weiter, doch die Gurke hinter ihm blieb dran. Pepe kniff etwas die Augen zu. Er wurde verfolgt. Der Betrunkene, fuhr es ihm durch den Kopf, der musste seinen Wagen markiert haben. Er fuhr gemächlich Richtung Zentrum. Dort stoppte er am Strassenrand, rannte eine schmale Seitengasse hinunter und bog rechts in die Fussgängerzone ein. Dort konnte er die Verfolger unauffällig abschütteln.
Tom wartete am Morgen bereits im ‘Au Bergine’. «Da scheint mehr dran zu sein», berichtete er. «Der Mieter ist eine unbekannte Briefkastenfirma, hat aber eine professionelle Computeranlage eingebaut und erzeugt einen riesigen Datenverkehr. Zudem ist das Stockwerk gegen Stromausfall und Feuer gesichert».
«Vermutlich haben wir die Zentrale der Computerhacker gefunden», folgerte Pepe. «Nun müssen wir sie auf frischer Tat ertappen und die Computer sicherstellen. Und es muss heute bereits vor dem Abend geschehen». Er erwähnte seine Verfolger.
Der Nebel schien noch dichter zu sein, aber immerhin wurde Pepe nicht verfolgt. Er stoppte auf dem Weg zum Geschäftshaus bei der Technikabteilung. Ban-A-Ne, sein Freund aus Costa Rica liess ihn hinein. Er war wie immer etwas gelb im Gesicht und ging leicht gekrümmt. «Was kannst du mir heute empfehlen?», fragte ihn Pepe. «Nun», lächelte Ban-A-Ne, «das System hat vermutlich einen Selbstzerstörungsmechanismus eingebaut. Ich habe dir hier eine spezielle Granate, die während zwei Minuten alle Funksignale blockiert. Zudem solltest du die Löschanlage prüfen: Pulver würde die Computer zerstören.»
Da Pepe damit rechnen musste, dass das Gebäude überwacht wurde, fuhren er und Tom in einem Lieferwagen des Elektrodienstes getarnt vor das Haus, nahmen sich zwei Werkzeugtaschen und betraten es durch den Vordereingang.
Tom ging direkt in den Keller und nahm die Löschanlage ausser Betrieb; diese war tatsächlich mit Pulver befüllt. Währenddessen ging Pepe vorsichtig in den zweiten Stock. Die Tür zu Mira’s Geschäft war geschlossen. Er öffnete mit einem Nachschlüssel, trat ein und zog gleich beide Augenbrauen hoch. Der grosse Eingangsraum sah aus, als ob ein Tornado zu Besuch war. Es musste ein heftiger Kampf gewesen sein, Möbel waren umgestürzt und ein Stuhl war ganz kaputt. Doch von Mira keine Spur.
Jetzt musste es schnell gehen. Pepe hastete lautlos die Treppe hinauf, Tom folgte dicht dahinter. Er schloss das Türschloss auf, warf die Elektrogranate und gleichzeitig eine Blendgranate in den Computerraum. Mit gezogenen Pistolen stürzten sie hinein. Die beiden Typen waren überrumpelt, aber einem gelang es noch, auf dem Tisch vor ihm einen Schalter zu drücken. Doch nichts geschah. Die Computer brummten weiter vor sich hin. Und schon klickten die Handschellen.
«Wo ist Mira» herrschte Pepe den einen Mann an. Doch dieser grinste nur und schaute gelangweilt in eine Ecke des Raumes. Pepe schaute genauer hin und eilte zum Schrank, der dort stand. Er öffnete ihn und entdeckte eine weitere Türe, die verriegelt war. Er öffnete. Dahinter war ein kleiner Raum. Mira sass gefesselt und mit einem Klebeband um den Mund auf einem Stuhl.
Er befreite sie, doch noch bevor er etwas sagen konnte, rief sie atemlos: «Im Keller ist eine Bombe, sie wollen das Gebäude sprengen!» Pepe reagierte sofort und funkte dem Einsatzkommando der Polizei, das eben das Gebäude betrat. Ein Bombenentschärfer ging sofort in den Keller und nur kurze Zeit später konnte er Entwarnung geben.
Inspektor Ap Fel betrat mit ein paar Polizisten den Raum. «Gute Arbeit, Pepe Roni!», rief er. «Wir haben vor dem Haus noch zwei Leute festgenommen, das waren die Aufpasser, aber es gelang ihnen nicht mehr, rechtzeitig eine Warnung abzusetzen».
Pepe wandte sich an Mira und schaute sie fragend an. «Vermutlich hatten sie Verdacht geschöpft und sie warteten auf mich, als ich ins Geschäft kam. Ich hatte keine grosse Chance». Pepe nickte, die grosse Beule auf ihrer Stirne sprach für sich.
Das Einsatzkommando nahm die Verhafteten mit und später traf die Spurensicherung ein. Pepe und Tom nahmen Mira ins ‘Au Bergine’ auf einen Ananassaft mit. Ein paar Tage später las man in der Zeitung, dass die Hackerangriffe auf die Regierung aufgehört hätten. Nur die Wettervorhersage blieb bei dichtem Nebel.